Bauers Depeschen


Dienstag, 28. November 2017, 1878. Depesche



 



Hört die Signale!

MUSIK ZUM TAG



Die aktuelle StN-Kolumne:

DAS LEBEN WIRD EIN LIED

Die folgenden Zeilen sind gedacht als großes Dankeschön an die vielen Künstlerinnen und Künstler, die uns helfen. Dinge, die regelmäßig ablaufen, schwächen gelegentlich den Blick auf den Einzelnen. Das ging mir nach einer Begegnung mit der Sängerin Fola Dada durch den Kopf.

In einer Woche, am 5. und 6. Dezember, geht im Theaterhaus „Die Nacht der Lieder“ über die Bühne. Die 17. Folge dieser Benefiz-Reihe zugunsten der Aktion Weihnachten der Stuttgarter Nachrichten ist die bisher aufwendigste – was die Zahl der Mitwirkenden betrifft. Neunzig Menschen gehen auf die Bühne, darunter große Ensembles wie Gauthier Dance, der Chor der Vesperkirche namens rahmenlos & frei und das gemischte Orchester Posaunenchor Kornwestheim/Junges Blech Schorndorf, dirigiert von der in Cannstatt lebenden Engländerin Sophie Pope, die vor Kurzem einen deutschen Pass erhalten hat.

Musikerinnen und Musiker aus vielen Ländern und einigen Erdteilen sind dabei, aus Afrika und Südamerika, aus Ungarn und Litauen. Fast alle wohnen und arbeiten in Stuttgart oder Umgebung und zeigen uns, wie international das Leben in unserer Stadt geworden ist. Beide Abende im großen Theaterhausaal sind ausverkauft. Schon am Dienstag kommender Woche beginnt der Vorverkauf für die 18. „Nacht der Lieder“ am 5. und 6. Dezember 2018.

Wie rasch die Zeit zwischen den jähr­lichen Shows vergeht, fällt mir auf, als ich mich auf die Schnelle mit der Jazz- und Soulsängerin Fola Dada im Graf Eberhard im Gerberviertel treffe. Im kommenden Jahr wird sie in unserer Show auftreten, und ich war überrascht, wie schnell sie zugesagt hat. Bereits im Dezember 2016 hatte ich bei ihr, ohne je ein Wort mit ihr gewechselt zu haben, mit ein paar Zeilen angefragt – und sie hat Ja gesagt, ohne die Veranstaltung zu kennen. Fola bestreitet 150 Auftritte im Jahr und arbeitet daneben als Gesangslehrerin an Hochschulen und ihrer eigenen Schule. Für Musiker ist der Dezember ein wichtiger Monat, um Geld zu verdienen. Deshalb sind zwei Abende ohne Gage vor Weihnachten zugunsten von Menschen in Not alles andere als selbstverständlich. Ich erzähle das, weil mir Folas Unkompliziertheit im Umgang mit Fremden typisch für sie erscheint.

1977 wird sie als Tochter einer Schwäbin vom Bodensee und eines Nigerianers in Stuttgart geboren und wächst in Korntal auf. Die kleine Stadt im Kreis Ludwigsburg ist bekannt für ihren Pietismus, aber auch als Nest kreativer Köpfe. Der Komiker und Musiker Roland Baisch lebt in ­Korntal – wie auch der Jazzmusiker Veit Hübner und der österreichische Kabarettist Stefan Waghubinger, alle drei übrigens aktiv für die „Nacht der Lieder“.

Mit Fola rede ich über Rassismus und erfahre, wie bewusst sie damit umgeht. Geschichte und Politik haben uns gelehrt, dass Vorurteile und Hass im Alltag gegenüber Menschen nicht durch Gesetze abgebaut werden. Schwule und Lesben erleben das genauso wie Menschen mit „dunkler Hautfarbe“ – schon diese Formulierung wirkt bemüht und hilflos. Warum redet man nicht einfach von schwarzen Menschen.

Folas ansteckendes Lachen als Antwort auf meine Frage, wie sie mit den konservativen Christenmenschen im „heiligen Korntal“ zurechtgekommen sei, wird mir noch lange in Erinnerung bleiben. „Sehr gut“, sagt sie, „ich war der katholische Neger.“ Bis heute gibt sie regelmäßig Konzerte in Korntal, nennt Stuttgart „meine Heimat“ und Heslach ihren Kiez.

Rassistische Erfahrungen in ihrem Leben, sagte sie, könne sie an einer Hand abzählen. Allerdings verhalte sie sich immer und überall sehr aufmerksam. Sie achte, längst auch unterbewusst, sehr genau auf ihre Umgebung: „Ich scanne sie.“ Im Bahnhof steht sie nie nahe an den Gleisen. Sie fährt nur noch erste Klasse, seit ihr der musi­kalische Erfolg ein gutes Auskommen bringt. Die Gefahr, auf aggressive Rassisten zu treffen, sei in diesen Abteilen vermutlich geringer. Und sie meidet verschiedene Regionen der Republik. „Aber diese Vorsicht beeinträchtigt mein Leben nicht, sie ist eine Gewohnheit, die mir Sicherheit und Selbstbewusstsein gibt.“

So offen und präzise Fola ihren Alltag schildert – so schwierig ist es, mich in dieses Leben hineinzudenken. Ich bin etwas erleichtert, ihre humorvollen Geschichten zu hören, etwa wenn sie nach einem Konzert in der tiefen Provinz mit ungutem Gefühl in einen alten Gasthof kommt und zur Begrüßung hört: „Kommet Se rei, kann man Ihne helfe?“

Fola kann mit Menschen umgehen und charmant mit ihnen plaudern. Das macht sie auch, wenn sie in Themenshows die Songs berühmter Sängerinnen wie Ella Fitzgerald in kleine Geschichten verpackt. Das Leben wird ein Lied. Eines Tages, so muss man ihre Liebe zum Erzählen deuten, wird sie als klassische Entertainerin auf die Bühne gehen. Mit besten Voraussetzungen. Lange vor ihrem Gesangsstudium im Bereich Jazz und Popularmusik an der Mannheimer Hochschule hat sie tanzen gelernt, schon als Kind steppen in der Stuttgarter New York City Dance School. Ihre Mutter, eine Lehrerin, hat ihr das Gesangstalent vererbt. Heute ist Fola eine gefragte Solistin. Ihre Stimme erinnert an den verführerischen Jazz intimer Clubs. Sie tritt mit eigenen Bands auf, gehört zu den Hausstars des Bix-Jazzclubs und wird regelmäßig von erstklassigen Big Bands und Orchestern engagiert. Gastspiele führen sie in die ganze Welt, einige Male hat sie in China gesungen. Mehrere Jahre war sie auch Vocal-Coach in der RTL-Show „Deutschland sucht den Superstar“ (DSDS). Ihre Welt aber, das wird schnell klar, ist das wahre Leben, weniger das Fernsehen.

Zu diesem Leben gehört, was sie „Hybrid-Arbeit“ nennt: das Zusammenspiel verschiedener Ebenen als Sängerin und Lehrerin. Auch die Pädagogik, das spürt man, ist für sie weit mehr als nur Broterwerb. Sie liebt den Austausch, das Gefühl, in der Musik nicht die Verschiedenheiten, sondern die Gemeinsamkeiten von Menschen zu entdecken.

Dies ist auch ein Ziel der „Nacht der Lieder“. Dank an alle, die mitmachen.



 

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