Bauers Depeschen


Dienstag, 22. Dezember 2015, 1568. Depesche



 



DER VORVERKAUF für den FLANEURSALON am Mittwoch, 20. Januar 2016, im Stuttgarter Stadtarchiv in Cannstatt hat begonnen. - Es spielen: Eric Gauthier & Jens-Peter Abele, Eva Leticia Padilla & Gabriel Holz, Roland Baisch & Frank Wekenmann.

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NICHT NUR ZUR WEIHNACHTSZEIT

Stuttgarts Politiker haben ihrer Stadt, die nicht ihnen gehört, schon viele protzige Namen verpasst. Weltstadt, Autostadt, Weinstadt, Sportstadt, Servicestadt, Kinderstadt etc. Selbstverständlich sind wir inzwischen auch „Einkaufsstadt“, weniger die verkaufte und gekaufte Stadt, weil man darüber nicht so gern spricht.

Die Händler, eine Spezies von Leuten, die in der Absicht einkauft, das Eingekaufte mit Gewinn zu verkaufen, beschäftigt sich zur Zeit nach guter alter Sitte mit dem wieder mal nicht voll befriedigenden Weihnachtsgeschäft. Wie jedes Jahr klagen Kaufleute über „mangelnde Kauflust“. Dafür gibt es in der Regel Schuldige, die absolut nichts mit der wachsenden gesellschaftlichen Armut zu tun haben, zumal man die neuen Armen in der Stadt mit bloßem Auge nicht wahrnehmen kann. Bettler und Obdachlose in den Straßen und Unterführungen gab es schon immer, und die im Dunkeln sieht man nicht.

Für viele herrscht mitunter auch bei Tageslicht Dunkelheit, eine diffuse Angst vor Gefahren und Bedrohungen, die man meist nur aus den Medien kennt. Die Nacht als Symbol für die Bedrohung dagegen ist schon lange nicht mehr das, was sie mal war. Längst fehlt ihr der erregende Reiz, wie ihn der Schriftsteller Raymond Chandler beschrieben hat: „Die Straßen waren dunkel von etwas mehr als der Nacht.“

Aus Handelsgründen sind die Nächte in der Stadt heute selbst für Allerweltsbürger viel kürzer als früher, weil dauernd Dinge wie die „Lange Einkaufsnacht“ veranstaltet werden. Zurzeit wird behauptet, die jüngsten Terrorattacken von Paris und die Flüchtlinge in aller Welt würden den Menschen auch in Stuttgart die Konsumlaune verderben. Zunächst einmal erscheint es mir ziemlich perfide, in diesem Zusammenhang Terroristen und Geflüchtete in einem Atemzug zu nennen. Und selbst wenn gewisse Leute vor lauter Zukunftsbammel den Stress der Shopping-Malls meiden, so wage ich doch zu behaupten, dass auch das Gegenteil richtig ist: Bei apokalyptischen Zeichen am Horizont neigt der Menschen seit jeher dazu, erst recht auf die Kacke zu hauen, nämlich zu leben, was das Leben hergibt – ohne Rücksicht auf Verluste. Anders gesagt: Mit der Bombe im Nacken – dafür gibt es Beispiele in der Geschichte – startet die ultimative Party schon aus Trotz.

Im Übrigen kann uns jeder seriöse Psychologe erklären, dass der allergrößte Teil unseres Gehirns nicht mit unserer Vergangenheit und Gegenwart, sondern mit der ungewissen Zukunft beschäftigt ist. Auch muss ich noch daran erinnern, dass Geschäftsleute vor den Terroristen und Flüchtlingen auch schon mal die Demonstranten gegen Stuttgart 21 für Umsatzeinbußen verantwortlich machten.

Vor Weihnachten gibt es in der Stadt kaum ein wichtigeres Thema als den Konsum. Die Haushaltsentscheidungen im Gemeinderat sind dagegen nicht der Rede wert: ein von grünen und schwarzen Gauklern abgekartetes Spiel. Die Schausteller auf dem Weihnachtsmarkt fordern unterdessen längere Öffnungszeiten. Dieser fromme Wunsch erscheint mir in diesen harten ­Zeiten allzu bescheiden. Richtig wäre: Man muss den Weihnachtsmarkt ab sofort das ganze Jahr öffnen und mit Shopping-Tunneln zu den Einkaufsklötzen Müllaneo und Gerber ausdehnen. Klassische Jahreszeiten wie Winter und Sommer gibt es ohnehin nicht mehr, und Konkurrenz-Events wie das Weindorf lassen sich – frei nach Heinrich Bölls Erzählung „Nicht nur zur Weihnachtszeit“ – problemlos in den Weihnachtsmarkt der Innenstadt integrieren. Im Übrigen braucht in diesen erderwärmten, politisch aufgeheizten Tagen kein Mensch mehr Glühwein.

Auch die „Lange Einkaufsnacht“ kurz vor Weihnachten lässt sich mit etwas Zukunftsbewusstsein effizienter organisieren. Es reicht nicht, elektrische Weihnachtskerzen anzuzünden. Die Kaufhäuser müssen zur Konjunkturbelebung endlich auch an Heilig Abend öffnen. In mit Stellwänden hergerichteten Wohnnischen, wie wir sie etwas weniger komfortabel aus den Turnhallen für Flüchtlinge kennen, begrüßen die Gäste ihr Christkind; irgendeine Showgröße aus der Christoph-Sonntag-Liga wird sich für diese gut gesponserte Rolle schon hergeben.

Geschenke für ihre Lieben ordern die Kaufhauskunden direkt in ihren Konsumlogen online mit dem neuen Smartphone bei den Verkäuferinnen. Die wiederum liefern mit Firmenlogos verzierten Engelsflügen auf dem Rücken die Ware. Bezahlt wird selbstverständlich digital; jeder Computerklick im Geldgeschäft, das wissen wir nicht erst seit Uli Hoeneß, ist eine Investition in die Zukunft.

Zurück in die verdamme Gegenwart. Unsereins war noch kurz bei einer Feier am Sonntag in den Wagenhallen. Deren Manager Ebby Gutbrod und Stefan Mellmann hatten zusammen mit Bärbel Mohrmann von der Stadtverwaltung einen langen Nachmittag für 250 Flüchtlinge aus den Bürgerhospital-Unterkünften organisiert: Palästinenser, Syrer, Kosovo-Albaner – darunter viele Kinder. 30 Mitarbeiter und Künstler aus den Wagenhallen arbeiteten ehrenamtlich, servierten kostenlos Essen, Getränke, betreuten Spiele.

Die Kulturbühne am Nordbahnhof ist zwar auch für ihre Partys bekannt. Was allerdings abging, als die Puppe Dundu und der junge syrische Rapper Manar Bjeirimi bei diesem Fest der Kulturen auftraten, hatten auch die Wagenhallen-Leute so noch nie erlebt: Die Kindern flippten aus vor Freude, die Erwachsenen ließen sich anstecken, der ganze Laden tanzte. „Ich hatte Tränen in den Augen“, sagt Ebby Gutbrod.

Es war Weihnachten in den Wagenhallen, auch wenn die Kids den sanften Riesen Dundu mit Allah-Rufen begrüßten.



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