Bauers Depeschen


Dienstag, 15. Juli 2014, 1319. Depesche



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LIEBE GÄSTE,

nachträglich habe ich die Faneursalon-Besetzung aufgestockt. Wir lassen, weil es zuletzt doch eine sehr schöne Sache war, noch einmal die Familien-Bande auf die Leute los:



FLANEURSALON IM THEATERHAUS

Die Kabarettistin/Liedermacherin Uta Köbernick führt durch den Abend. Vater & Tochter: Ella Estrella Tischa & Zam Helga. Vater & Sohn: Roland Baisch & Sam Baisch. Rapper & Beatboxer: Toba Borke & Pheel. Sie alle treten am Montag, 13. Oktober, im Flaneursalon auf. Schauplatz: THEATERHAUS. Der Vorverkauf läuft. Kartentelefon: 07 11/4020 720.



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LIED DES TAGES



BEITRÄGE schreiben im LESERSALON

 

Die aktuelle StN-Kolumne:



WAHNSINN

Es gibt diese Tage, an denen es nichts zu sagen gibt. Wenn es besser ist, nichts zu sagen, was mehr sein könnte als nichts. Neulich war so ein Tag, es war der 8. Juli 2014. Die deutschen Fußballer gewannen 7:1 gegen Brasilien, in sechs Minuten hatten sie vier Tore erzielt, zur Halbzeit stand es 5:0. Die einzige Schlagzeile, die das Ereignis ­anderntags halbwegs korrekt widerspiegelte, die ahnen ließ, was da los gewesen sein könnte, stand auf der Titel­seite von „Bild“: „7:1 – Ohne Worte!“

Ich weiß nicht, wie die Dinge zustande kommen bei einem Fußballspiel. Fünf Tage später, am 13. Juli, sah ich ein spannendes, ein wildes, ein diszipliniertes, ein hartes, ein gutes, kein böses Spiel. Als es vorbei war, tanzten, tobten, soffen überall in den ­Straßen der Stadt die Menschen. Selbst in meiner ansonsten ruhigen Nachbarschaft krachten Böller, als wollte man im Juli das neue Jahr begrüßen.

Was sollte das alte auch noch bringen, jetzt, da wir alle Weltmeister waren. Ich und du, Müllers Kuh, Müllers Esel, shubidu (das wollte ich schon lange mal gesagt haben). Am Morgen nach dem Ereignis, einer Art Weltaufgang, musste ich wie so oft in meiner Verzweiflung zum Bücherregal und Jorge Valdano, den einst großen Spieler und bis heute einzigartigen Fußallpoeten aus Argentinien, zurate ziehen. Valdano schreibt: „Wenn Fußball Aktion ist, dann besteht das so herbeigesehnte Gleich­gewicht in einer Binsenweisheit: das Spielfeld für den Angriff größer und für die ­Abwehr kleiner zu machen. Allerdings, wer das erreichen will, der muss das Spiel kennen, die Spieler überzeugen und arbeiten. Macht man das korrekt, dann ist man von der Technik, dem Talent und der Gewitztheit der Spieler abhängig; sie sind es, die das Ungleichgewicht herstellen, und oft können sie es sich, wenn alles vorbei ist, nicht einmal erklären.“ Das ist die Erklärung.

Am Morgen, als alles vorbei war, als viele kluge Menschen mit Hilfe der Wörter „Spektakel“, „Drama“ & „Wahnsinnsspiel“ der Welt erklärt hatten, wie es den Deutschen gelang, die Ungleichheit zuungunsten der Argentinier herzustellen, ging ich durch die Straßen. Ein kleiner Mercedes-Bus fuhr an mir vorbei, auf seiner Karosserie stand in Großbuchstaben: „Angela’s“. Es war nicht, wie ich zunächst vermutete, der Wahlkampf-Bus der deutschen Kanzlerin, die in der Nacht zuvor mit dem deutschen Bundespräsidenten und allen Deutschen den deutschen Sieg über die Gleichheit gefeiert hatte. Es war der Firmenwagen eines ­Hygiene- und Desinfektionsbetriebs. Es gibt solche Augenblicke im Leben.

Ich war nicht unterwegs, um Luft zu schnappen, ich hatte ein Ziel. Ich war jetzt Weltmeister, wie Müllers Kuh und Müllers Esel, und mir wurde mulmig bei dem Gedanken, dieses Glück könnte sich ­womöglich bald verflüchtigen, als hätte mich der Bus eines Desinfektionsbetriebs gestreift. Ich ging in meinen Laden für alle Fälle, man findet ihn in der Stuttgarter Altstadt, in einem Quartier mit dem schönen Namen Bohnenviertel. Es ist der Laden Seifen-Lenz, bald 230 Jahre alt. Neben ­Seifen führt er auch Kerzen, hat also alles, was der Mensch braucht, wenn er bereit ist, mit sich im Reinen zu sterben. Im Schaufenster hatte ich Tage zuvor einen kleinen Blecheimer mit einem Pinsel gesehen, kaum größer als ein Rasierpinsel. Die Borsten leicht gröber, der Holzknauf für eine kräftige, geschlossene Hand, mit einem Lederriemchen für den besseren Halt. ­Neben dem Ensemble klebte ein Pappschild: „Bauchpinsel für die täglichen Streicheleinheiten. Stück 10.80“. (Der Preis gilt dem Pinsel.)

Ich wusste: Wenn der Rausch nachlässt, das unbeschreibliche Gefühl, ein deutscher Weltmeister zu sein, wird der Tag kommen, da ich und du und Müllers Kuh an Entzugserscheinungen leiden, schmerzhafter als die blutige Schramme in Schweinsteigers Gesicht. Das ist der Tag, an dem du den Bauchpinsel brauchst, als Ersatz für die überirdische Belohnung namens deutscher Fußball.

Wenn es so weit ist, werde ich den Pinsel ein paar Zentimeter oberhalb des Bauchs ansetzen, nicht zu sanft, und unter den Streicheleinheiten der Borsten werde ich spüren, wie es war, als Götze den von Schürrle getretenen Ball zu einer kurzen, weichen Zwischenlandung auf seiner Brust zwang, ehe er diesen grandiosen Sieg über die ­Tücke des Objekts mit einem sauberen Schuss mit dem linken Bein ins argentinische Tor vollendete. Damit hatte Götze, geboren in Memmingen/Allgäu, Minuten vor Spielende das bei der Aktion Fußball so herbei­gesehnte Gleichgewicht endgültig zerstört. Manche sagen: für die Ewigkeit.

All das aber lässt sich nur erklären, wenn du einen guten Pinsel hast.



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