Bauers Depeschen


Donnerstag, 06. Juni 2013, 1120. Depesche



LIEBE GÄSTE,

bevor es weiter unten auf dieser Seite zur aktuellen StN-Kolumne geht, diese Information: Am Samstag, 15. Juni, findet auf dem Stuttgarter Schlossplatz eine Großkundgebung mit anschließendem Demozug statt: "Stuttgart 21 ist überall - wehrt euch, vernetzt euch!" - Zusammen mit dem Regisseur Volker Lösch werden RednerInnen aus Großstadt-Initiativen auftreten, aus Berlin, Hamburg, Frankfurt, Turin. Hauptredner ist Albrecht Müller, der Herausgeber der NACHDENKSEITEN. Eine Demonstration für das Recht auf Stadt - gegen das Prinzip Stuttgart 21.

Auf der Bühne ist eine Videowand. Es gibt eine Live-Schaltung nach Istanbul. Musik machen die Ska-Band The Mood a. k. a. und der Rapper Toba Borke. Beginn: 17 Uhr. Außerdem:



DAS LEBEN IST IM FLUSS ...

... und unsereins dankbar für jede Unterstützung.



Samstag, 6. Juli 2013

JOE BAUERS FLANEURSALON –

2. HAFEN-PICKNICK AM NECKARUFER

Die Lieder- und Geschichtenshow

zwischen Wasser, Schrott und Weinbergen

mit Yasmine Tourist, rahmenlos & frei, Dacia Bridges u. a.

Offener Grill ab 16 Uhr - Showbeginn 18.45 Uhr.

DER KLICK ZUM VORVERKAUF via MUSIC CIRCUS – Kartentelefon: 07 11 / 22 11 05



Der Klick zum

LIED DES TAGES



Die aktuelle StN-Kolumne:



DER MANN OHNE SCHATTEN

Die Olgastraße ist 162 Jahre alt, ziemlich lang und bunt. Von der Stitzenburgstraße komme ich die Wächterstaffel herunter, es ist ein angenehmer Tag in den Gegenden des Landes, wo kein Hochwasser herrscht.

In die Olgastraße 136 muss ich, zur Ecke Cottastraße, in ein französisches Stehtischlokal namens épicerie fine. Die Leute aus dem Viertel gehen hier zum Mittagessen und packen danach etwas Feinkost für ihr rest­liches Leben ein.

Unterwegs komme ich am schönen Mehrzweckkiosk Olga 120 vorbei. Davor stehen Korbstühle, ein kleiner Tisch, ein Sonnenschirm. Der Kioskmann wünscht mir einen guten Tag und empfiehlt mir seinen ebenso guten Kaffee. Im Angebot hat er heute auch Heiße Wurst für einsneunundneunzig und Chili con carne.

Es gibt ein Überleben in der Olgastraße. Wer es frisch und würzig mag, wechselt die Straßenseite, geht zum weithin berühmten Türkenimbiss Alaturka oder versorgt sich im Obst- und Gemüseladen Kauf Yad. Bäume werfen ihren Schatten auf den Zeitungskiosk. Auf dem Foto, das ich mit meinem Taschentelefon mache, sieht die Bude aus, als hätte man sie in einen Stadtwald hinein­gebaut. Wer in der Alaturka-Gegend Bäume sieht, denkt an die Parkschützer von Istanbul. Auf ihren Schildern steht: „Erdogan holzt ­Bäume ab, deren Schatten er nicht verkaufen kann.“ Es gibt einen Mann, der seinen eigenen Schatten verkaufte. Sein Name ist Peter Schlemihl. Nach einer Seereise lernt er den Herrn Thomas John kennen, einen ­reichen Kaufmann, der ihm einen guten Preis für seinen Schatten bietet: ein Säckel Gold, das sich immer wieder von selbst füllt. „Peter Schlemihls wundersame Geschichte“ hat vor genau zweihundert Jahren der Dichter Adelbert von Chamisso auf­geschrieben: „‚Belieben gnädigst der Herr, diesen ­Seckel zu besichtigen und zu erproben.‘ Er steckte die Hand in die Tasche und zog einen mäßig großen, festgenähten Beutel, von starkem Korduanleder, an zwei tüchtigen ledernen Schnüren heraus und händigte mir selbigen ein. Ich griff hinein und zog zehn Goldstücke daraus, und wieder zehn, und wieder zehn, und wieder zehn; ich hielt ihm schnell die Hand hin: ‚Topp! der Handel gilt, für den Beutel haben Sie meinen Schatten.‘“

Herr Schlemihl, der Mann ohne Schatten, wird mit seinem Gold nicht glücklich. Die Menschen bekommen Angst vor ihm, und sie verhöhnen ihn. Er hat seinen Deal, merkt er irgendwann, mit dem Teufel gemacht. Als es ihm gelingt, aus dem Pakt aus­zusteigen, besorgt er sich von seinem letzten Geld ein Paar Siebenmeilenstiefel.

Seit ich die Geschichte kenne, bin ich hinter Herrn Schlemihl her. Eines Tages, da bin ich mir sicher, werde ich ihm begegnen: in der Chamissostraße im Westen der Stadt. Herr Schlemihl, werde ich sagen, verkaufen Sie mir unverzüglich Ihre Siebenmeilen­stiefel. Kohle ist kein Thema. Wir haben genügend ­Seckel in der Stadt.

Nach meinem ­Besuch im deutschen Franzosenlokal am Ende der Olgastraße gehe ich eine Weile herum in der Gegend. Der Weißenburgplatz in der Nachbarschaft mit seinen paar Bäumen und Bänken ist ein passabler Fleck zum Verweilen. Das Café Zimt & ­Zucker hat geöffnet, gegenüber das Caffè Attimi. Am Anfang der Straßeninsel warten Tür an Tür zwei Wellness-Läden auf Kunden. Wer sich den Kopf waschen lassen will, sollte den Eingang zum Friseur nicht mit dem des Hundesalons verwechseln, und falls doch, ist es wurscht: „Lifestyle für Hund & Halter“, steht am Schaufenster.

Schwanz­wedelnd gehe ich auf dem Rückweg die Schlosserstraße entlang. Was für malerische, wild ­bewucherte Backstein­häuser in den Hinter­höfen. Ein auffallend ruhiger ­Junitag im Schatten der Straßenbäume. Es scheint, als würden sich die Menschen nach dem langen Frustwetter nicht in die Sonne trauen, auch nicht die coolen Herrschaften, die, ­monatelang in Woll­decken gehüllt, vor den Bars ­saßen.

Am frühen Nachmittag komme ich am Wilhelmsplatz an. Über dem Betonkasten der Barmer an der Torstraße, wo Büros angeboten werden, ragt verloren der Tagblattturm in den Himmel. Der Wilhelmsplatz ist menschenleer. Wie kann eine Stadt so einfallslos mit ihren Plätzen umgehen. Die Stadtplaner müssen einen Schatten haben. Am Rand der Steinwüste, fast vergessen, residiert die Stuttgarter SPD. In diesem Jahr feiert die Sozialdemokratie ihren 150. Geburtstag. Sie erscheint einem gar nicht so alt, wenn man weiß, dass schon ein halbes Jahrhundert vergangen ist, seit Bob Dylans ­Song „Blowin’ In The Wind“ auf Platte erschien. Als Willy Brandt sechs Jahre später Bonner Kanzler wurde, war Bob Dylan ein Weltstar und unsereins ein Schulerbub. Heute sind die Sozialdemokraten am Aussterben, ihre letzten Überlebenden singen noch immer „Blowin’ In The Wind“.

Bis zur Willy-Brandt-Straße mit ihren neuen Ministeriumsklötzen ist es mir zu weit, ich gehe zur Markthalle, wo der Spaziergänger zu jeder Jahreszeit den Sommer ­riechen kann. Er müsste eine Nase haben wie der Mörder Grenouille in Patrick ­Süßkinds „Parfüm“, wollte er die Gerüche der Markthalle beschreiben, bis sie so glaubhaft aus dem Zeitungspapier ­herausstinken wie sonst nur politische ­Meldungen und eingewickelter Fisch.

Als ich vor der Markthalle ankomme, kann ich den Sommer auch ­hören. Eine gut integrierte Blas- und Zupfkapelle aus Osteuropa singt „Rosamunde“ auf Deutsch. Ich werfe einen Euro ins Säckel der Musikanten und frage sie, ob ich ihren Schatten ­kaufen kann. Geh zum Teufel, sagen sie.



FRIENDLY FIRE:

NACHDENKSEITEN

BLICK NACH RECHTS

FlUEGEL TV

RAILOMOTIVE

EDITION TIAMAT BERLIN

Bittermanns Fußball-Kolumne Blutgrätsche

VINCENT KLINK

KESSEL.TV

GLANZ & ELEND

 

Auswahl

27.08.2022

24.08.2022

22.08.2022
17.08.2022

14.08.2022

10.08.2022
07.08.2022

06.08.2022


Depeschen 2281 - 2310

Depeschen 2251 - 2280

Depeschen 2221 - 2250

Depeschen 2191 - 2220

Depeschen 2161 - 2190

Depeschen 2131 - 2160

Depeschen 2101 - 2130

Depeschen 2071 - 2100

Depeschen 2041 - 2070

Depeschen 2011 - 2040

Depeschen 1981 - 2010

Depeschen 1951 - 1980

Depeschen 1921 - 1950

Depeschen 1891 - 1920

Depeschen 1861 - 1890

Depeschen 1831 - 1860

Depeschen 1801 - 1830

Depeschen 1771 - 1800

Depeschen 1741 - 1770

Depeschen 1711 - 1740

Depeschen 1681 - 1710

Depeschen 1651 - 1680

Depeschen 1621 - 1650

Depeschen 1591 - 1620

Depeschen 1561 - 1590

Depeschen 1531 - 1560

Depeschen 1501 - 1530

Depeschen 1471 - 1500

Depeschen 1441 - 1470

Depeschen 1411 - 1440

Depeschen 1381 - 1410

Depeschen 1351 - 1380

Depeschen 1321 - 1350

Depeschen 1291 - 1320

Depeschen 1261 - 1290

Depeschen 1231 - 1260

Depeschen 1201 - 1230

Depeschen 1171 - 1200

Depeschen 1141 - 1170

Depeschen 1111 - 1140

Depeschen 1081 - 1110

Depeschen 1051 - 1080

Depeschen 1021 - 1050

Depeschen 991 - 1020

Depeschen 961 - 990

Depeschen 931 - 960

Depeschen 901 - 930

Depeschen 871 - 900

Depeschen 841 - 870

Depeschen 811 - 840

Depeschen 781 - 810

Depeschen 751 - 780

Depeschen 721 - 750

Depeschen 691 - 720

Depeschen 661 - 690

Depeschen 631 - 660

Depeschen 601 - 630

Depeschen 571 - 600

Depeschen 541 - 570

Depeschen 511 - 540

Depeschen 481 - 510

Depeschen 451 - 480

Depeschen 421 - 450

Depeschen 391 - 420

Depeschen 361 - 390

Depeschen 331 - 360

Depeschen 301 - 330

Depeschen 271 - 300

Depeschen 241 - 270

Depeschen 211 - 240

Depeschen 181 - 210

Depeschen 151 - 180

Depeschen 121 - 150

Depeschen 91 - 120

Depeschen 61 - 90

Depeschen 31 - 60

Depeschen 1 - 30




© 2007-2024 AD1 media ·