Bauers Depeschen


Donnerstag, 07. Juni 2012, 924. Depesche



Das Hafen-Picknick

FLANEURSALON AM NECKARUFER

Sonntag, 24. Juni, Mittelkai

Die Pfingstferien gehen langsam zu Ende, die EM beginnt. Und irgendwo dazwischen sollten wir nicht absaufen. Das Bild für die Depeschen-Seite (rechts) hat der Fotograf und Kollege Leif Piechowski am Ort unserer Flaneursalon-Show im Stuttgarter Hafen gemacht. Ich appelliere an alle Homepage-Besucherinnen und -Besucher, an die Freunde bunter und informativer Unterhaltung: Unterstützt unser Hafen-Picknick, die Hommage an den Neckar, besorgt Euch bitte Karten im Vorverkauf für unser (überdachtes) Hafen-Picknick am Sonntag, 24. Juni. Auf die Bühne, einen Eisenbahnwaggon, gehen Roland Baisch & The Countryboys, das Elektro-Duo Putte & Edgar, die Sängerin Dacia Bridges und der Beatboxer Pheel. Wäre schade, wennn der Flaneursalon ausgerechnet bei dieser Aktion baden gehen würde ... Hier geht es zum rettenden Ufer: HAFEN-PICKNICK

(Siehe auch rechts das Archiv, Depesche vom 20. Mai)



SOUNDTRACK DES TAGES



So war das 2010:



DIE VÖGEL

Es war Sonntagmorgen vor fünf, als mich die Vögel weckten, und ich sage Ihnen: Die Vögel in der Stadt werden immer lauter und unverschämter. Dass uns an Straßenbahnhaltestellen Krähen vor den Füßen herumtanzen und im Tiefflug rammen, daran habe ich mich gewöhnt. Doch neulich unternahm ein Spatz sechs, sieben Anläufe, um mir vor dem Kaffeehaus am Karlsplatz den Fisch vom Teller zu fressen. Ich habe mit der Speisekarte nach ihm geschlagen und auf die Stuhllehne gehauen, dass es krachte. Es hat ihn nicht beeindruckt.

Alfred Hitchcocks Horrorbilder rücken immer näher. Die Vögel werden uns töten.

Am Morgen des Sonntags beruhigte sich die Lage, als sich Paukenschläge aus der Ferne in den Vogellärm mischten. Die Schläge wurden lauter, und als der Sound im Blitzlicht elektrisch krachte, verstummte das millionenfache Gezwitscher. Ein schweres Gewitter kam über die Stadt, ich war wach und schlecht gelaunt.

Das Spiel war vorbei und mit ihm das letzte Kapitel der größten irdischen Karriere seit Jesus. Das ist womöglich weniger traurig, als die Hämischen hoffen. Maradona wird seine Jobs als lebende Legende und amtierender Gott behalten.

Am Tag des Spiels, als die amtierende Kanzlerin auf der Tribüne auch die letzte Kontrolle über ihren Deutschländer-Körper verlor, geschah etwas Unglaubliches. Vierzunull gegen Argentinien. Nach dem Schlusspfiff ging ich hinaus, schnüffelte in den Straßen des Westens herum und sah Männer mit deutschen Trikots und deutschen Vuvuzelas, den wichtigsten Symbolen deutscher Tugend.

Weil ich schon lange in der Gegend wohne, erkannte ich einige der Vuvuzela-Pfeifen und wusste, warum sie kein Recht zum Blasen haben. Diese Typen, das kann ich beweisen, haben nie im Leben die „Sportschau“ gesehen und und während der Übertragung großer Spiele ihren Opel gewaschen. Nur Männer, die einmal auf der Stehtribüne der Kickers das Herz oder im A-Block des VfB den Verstand verloren haben, besitzen die Lizenz zum Tröten.

Es gibt den alten Streit, wie ein Mann am besten ein Spiel verfolgt, wenn er nicht im Stadion sein kann: in Gesellschaft oder allein. Die ersten vier WM-Spiele des deutschen Teams habe ich in Kneipen und im Biergarten gesehen, und ich kann sagen: Gesehen habe ich nichts.

Die Leute beim Fußball in Kneipen und Biergärten führen sich auf wie die Fans der Beatles vor einem halben Jahrhundert: Sie kreischen, schwer angestochen. Der einzige Unterschied zwischen den Popkonzerten der Steinzeit und den Fußballspielen unserer Tage sind die Mädchen: Beim Anblick von Schweini werfen sie nicht unverzüglich ihr Höschen aufs Feld. John Lennon war anziehender.

Das Spiel der Deutschen gegen die Argentinier habe ich mir in Ruhe angesehen, störungsfrei. Wir waren allein, ich und mein Fernseher. Nicht mal der Lärm der Stadt drang zu uns herein, und ich sagte zu meinem Fernseher: Hör mal, Löw, der Müller schlug gerade einen Pass im Liegen auf Podolski, verstehst du, Blödmann, im Liegen! Podolski zirkelte an Romero quer vorbei, auf den frei stehenden Klose – und der macht das Ding im Schlaf. Hast du so was schon gesehen, Löw? Ich heiße nicht Löw!, brüllte mein Fernseher, mein Name ist Loewe. Egal.

Auch Migranten spielen gern mit deutschen Fahnen, deutschen Bierflaschen und deutschen Trikots. Diese Leibchen sind noch wichtiger als Klamotten von Two Seasons. Ein Ausländer bei uns, wurscht, ob aus Griechenland, Ghana oder Sachsen, würde nie die Tröte für Holland blasen. So wenig wie Özil für die Türken, Podolski für Polen und Klose regelmäßig für die Bayern spielt. All diese Männer klingen deutscher als der Kommentator Klinsmann auf RTL, obwohl er etwas weniger schwäbisch klingt, seit er Schnupfen hat und heiser ist.

In meinem Fernseher darf man alles sagen. Da ist alles erlaubt. Der Sky-Kommentator Marcel Reif stellt Maradonas argentinischen Landsmann Che Guevara als „bolivianischen Freiheitskämpfer“ vor und Katrin Müller-Hohenstein weist Olli Kahn zurecht, weil der sich ein Drama „mit glücklichem Ausgang“ wünscht. Dramen haben zwar öfter ein Happy End als das „Aktuelle Sportstudio“. Aber so redet sie halt daher, die tragische Tröte des ZDF.

Mit dem Spiel kommt ein Mann auch allein zurecht, ohne Ohnmachtspartys und angeschossene Vögel, die in schwarz-rot-goldenen Unterhosen ihr Blasrohr ziehen. Es war schön, mit meinem Fernseher. Ich konnte geniale Pässe sehen, Pässe, die Argentinien Wunden schlugen. Und den ganzen Schmerz des Dramas Argentina hat mich Loewe beim Blick ins Stadion gelehrt: Maradona heult. Merkel hüpft.



KOMMENTARE SCHREIBEN IM LESERSALON

DIE STN-KOLUMNEN



FRIENDLY FIRE:

NACHDENKSEITEN

FlUEGEL TV

RAILOMOTIVE

EDITION TIAMAT BERLIN

Bittermanns Fußball-Kolumne Blutgrätsche

VINCENT KLINK

KESSEL.TV

GLANZ & ELEND










 

 

Auswahl

27.08.2022

24.08.2022

22.08.2022
17.08.2022

14.08.2022

10.08.2022
07.08.2022

06.08.2022


Depeschen 2281 - 2310

Depeschen 2251 - 2280

Depeschen 2221 - 2250

Depeschen 2191 - 2220

Depeschen 2161 - 2190

Depeschen 2131 - 2160

Depeschen 2101 - 2130

Depeschen 2071 - 2100

Depeschen 2041 - 2070

Depeschen 2011 - 2040

Depeschen 1981 - 2010

Depeschen 1951 - 1980

Depeschen 1921 - 1950

Depeschen 1891 - 1920

Depeschen 1861 - 1890

Depeschen 1831 - 1860

Depeschen 1801 - 1830

Depeschen 1771 - 1800

Depeschen 1741 - 1770

Depeschen 1711 - 1740

Depeschen 1681 - 1710

Depeschen 1651 - 1680

Depeschen 1621 - 1650

Depeschen 1591 - 1620

Depeschen 1561 - 1590

Depeschen 1531 - 1560

Depeschen 1501 - 1530

Depeschen 1471 - 1500

Depeschen 1441 - 1470

Depeschen 1411 - 1440

Depeschen 1381 - 1410

Depeschen 1351 - 1380

Depeschen 1321 - 1350

Depeschen 1291 - 1320

Depeschen 1261 - 1290

Depeschen 1231 - 1260

Depeschen 1201 - 1230

Depeschen 1171 - 1200

Depeschen 1141 - 1170

Depeschen 1111 - 1140

Depeschen 1081 - 1110

Depeschen 1051 - 1080

Depeschen 1021 - 1050

Depeschen 991 - 1020

Depeschen 961 - 990

Depeschen 931 - 960

Depeschen 901 - 930

Depeschen 871 - 900

Depeschen 841 - 870

Depeschen 811 - 840

Depeschen 781 - 810

Depeschen 751 - 780

Depeschen 721 - 750

Depeschen 691 - 720

Depeschen 661 - 690

Depeschen 631 - 660

Depeschen 601 - 630

Depeschen 571 - 600

Depeschen 541 - 570

Depeschen 511 - 540

Depeschen 481 - 510

Depeschen 451 - 480

Depeschen 421 - 450

Depeschen 391 - 420

Depeschen 361 - 390

Depeschen 331 - 360

Depeschen 301 - 330

Depeschen 271 - 300

Depeschen 241 - 270

Depeschen 211 - 240

Depeschen 181 - 210

Depeschen 151 - 180

Depeschen 121 - 150

Depeschen 91 - 120

Depeschen 61 - 90

Depeschen 31 - 60

Depeschen 1 - 30




© 2007-2024 AD1 media ·