Bauers Depeschen


Montag, 04. Mai 2009, 321. Depesche



DER SPAZIERGÄNGER



Im Februar 1997 wurde mir gesagt, ich solle eine Kolumne mit dem Titel "In der Stadt" schreiben. Ich ging in die Stadt, kaufte mir bei Wittwer einen Brockhaus und schaute nach, was Brockhaus unter einer Kolumne versteht und wie viele Einwohner Stuttgart bei Tag hat. Wie viele Einwohner es bei Nacht waren, war nicht das Problem: Ich kannte sie alle.

Zwölf Jahre sind vergangen, und ich kenne fast niemanden mehr, weil ich nachts in der Gewissheit schlafe, nichts zu verpassen. Im Lauf der Zeit habe ich festgestellt, dass viele Kolumnisten ihr Familienleben ausbreiten, ihre vermeintlichen Abenteuer mit italienischen Schwiegermüttern und leiblichen Kindern. Manche besitzen zusätzlich einen Köter von der Sorte, wie ich sie im Wald treffe. Am Sonntag, als ich durch den Dachswald lief, packte vor mir eine Dame ihre durchgeknallte Töle am Halsband und zeigte mit dem Finger auf mich: "Ganz ruhig, Falco", knurrte sie. "Der da ist kein Hund." Jetzt knurrte die Töle.

Berufsspaziergänger, meine Damen und Herren, dürfen keine Schwiegermütter, Kinder oder Hunde haben. Vor allem keine Frau. Sie fänden keine Zeit für Spaziergänge. Raymond Chandler hat gesagt, ein Romandetektiv dürfe nicht heiraten und keine feste Frau haben. Er geriete unweigerlich aus der Spur, käme ab vom geraden Weg.

Ein Provinzkolumnist wie ich ist kein Detektiv, und er sollte seine Nase nicht bei der Liebe mit italienischen Schwiegermüttern verlieren. Ein Schreiber, der keine anderen Dialoge kennt als die zwischen Frau und Hund im Dachswald, hat ein Problem. Er geht durch die Stadt und dreht jeden Hohlziegel in der Hoffnung um, darunter eine Geschichte zu entdecken. Neulich stand ich in Heslach vor einem Straßenschild mit der Aufschrift: "Afternhaldenstraße". Afternhalde, fand ich später heraus, geht zurück auf "hintere Halde". Das hätte ich mir denken können.

Aftern, und hier beginnt die Recherche, bedeutet aber auch "hornige Auswüchse, etwa Klauen, Schalen an der äußeren Seite der Hinterfüße beim Rindvieh, Schwein, Hund etc.". Damit, und das ist das dramaturgische Geheimnis einer Kolumne, sind wir wieder beim Hund.

Der Hund wiederum, das sollte klar sein, kann nicht in allen Geschichten die Figur der italienischen Schwiegermutter ersetzen. Die Geschichten eines Spaziergängers sind einsilbig, sie erinnern an den alten Countrysong: "Es ist so einsam in meinem Sattel, seit mein Pferd gestorben ist."

Ein Spaziergänger ist ein geradliniger Mann ohne Treue. Und ein Flaneur kommt immer daher, als hätte man ihm gerade das Pferd unter der Afternhalde weggeschossen.



DER FLUSSFLANEUR



Unser Neckarschiff läuft ganz ordentlich vom Stapel. Bitte zügig ins Kielwasser eintauchen und mitmachen: Wir haben keinen Sponsor und keine Schwimmwesten. Nur volles Risiko. Ich danke Mirjam Aichele (Music Circus) und Johannes Zeller (Orgakomm) für die organisatorische Unterstützung.

VORVERKAUF:

Joe Bauers Flaneursalon im Fluss - am Donnerstag, 25. Juni 2009, auf dem Neckar-Käpt'n-Stolz MS Wilhelma. 230 Passagiere haben Platz. Bordbegehung an der Anlegestelle gegenüber der Wilhelma ab 18.30 Uhr. Mit den Künstlern Los Santos (Stefan Hiss), Michael Gaedt, Dacia Bridges, Anja Binder.

Karten: T: 0711 / 2 555 555 und www.easyticket.de (Siehe Depesche vom 29. 4.)

Kolumnen in den Stuttgarter Nachrichten:

www.stuttgarter-nachrichten.de/joebauer



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